Aus Wosek in die Weltliteratur: Hermann Kafka

  • Es gibt wahrscheinlich in der Weltliteratur keinen übler beleumundeten Dichter-Vater als Hermann Kafka
  • „Der ewige Sohn“ heißt eine der Standard-Biographien über Franz Kafka von Peter Andre Alt: Sein Leben und Schreiben als dauerhafte Auseinandersetzung mit DIESEM Vater, Vater-Figuren, väterlichen Instanzen etc.
  • Damit ist das „Vater“-Thema bei Franz Kafka ein Stück weit Weltliteratur, ein Motiv der Kulturgeschichte geworden
  • Man kann jetzt fragen, sagen: ist doch alles längst bekannt, was hat es mit unserem Projekt zu tun???
  • „Längst bekannt“: ich möchte ein anderes, neues Bild von Hermann Kafka zeichnen: ein Mann, der ein mindestens ebenso guter Vater war wie andere seiner Zeit und Zeitgenossen – ja, ich glaube sogar ein BESSERER in manchem
  • „Unser Projekt“: Hermann Kafka kommt aus Wosek in Südböhmen, das zum Kreis Strakonice gehört. Hier, in einer ländlichen jüdischen Gemeinde verbrachte er Kindheit und Jugend und auch die Militärzeit, also man kann sagen seine „Sozialisation“ hat dort stattgefunden
  • Diese „Prägung“ hat er als Muster auch in der Familie als Vorbild gesetzt: Härte gegen sich selbst und andere, Aufstiegswillen, Durchsetzungsvermögen, körperliche Präsenz und Potenz
  • Dies alles „kollidiert“ sozusagen mit Franz Kafkas gänzlich anders gearteter „Statur“, nicht nur körperlich, sondern auch mental
  • Kafka hat diese „Herkunfts-Vitalität“ des Vaters in autobiographischen wie literarischen Texten immer wieder aufgegriffen – z.B. im „Brief an den Vater“ oder im „Urteil“
  • Aber nicht nur die Person des Vaters, sondern auch dessen Herkunftsmilieu: im „Schloß“-Roman nicht nur das Schloss, sondern auch die Dorfwelt kann im Lichte der ländlichen Welt Hermann Kafkas gelesen werden.

 

Wer ist eigentlich Hermann Kafka?

  • Geboren am 14.9.1852 in Wosek als 4. von 6 Kindern
  • Der Vater Jakob Kafka ist Fleischhauer, wurde als ein Mann mit „ungeheuren Kräften“ in der Familie erinnert – Kafka sieht den Vater immer wieder als „Riesenmenschen“ aus der Woseker Linie BILD JAKOB KAFKA . Schächter kommen in verschiedenen Texten Kafkas vor, z.B. in „Schakale und Araber“. Bei dessen Tod fährt der 6jährige Franz zur Beerdigung mit nach Wosek
  • Eine jüdische Zwergschule besuchte Hermann Kafka im 2km entfernten Jemnice, wo der Unterricht auf Deutsch stattfand, wobei die Umgangssprache Tschechisch war. Das ist interessant für die Sprachverhältnisse in der Familie Kafka!
  • Kindheit und Jugend schwer, hart, viele Entbehrungen – aber nicht „arm“ im damaligen Sinne. Der Vater von Hermann Kafka hatte innerhalb der jüdischen Gemeinde als Schächter eine wichtige Rolle! Dennoch gehörte harte körperliche Arbeit zum Alltag, er fuhr mit dem Handkarren zu jeder Jahreszeit Waren in die umliegenden Orte aus.
  • Die Liberalisierung für Juden innerhalb der Monarchie führt zu einer wachsenden Landflucht junger Juden aus diesen Welten, so ist das auch bei Hermann Kafka, der nach Prag gehen wird, andere gingen nach Wien
  • Ein Grund ist auch, dass es in umliegenden Kleinstädten wie Pisek oder Strakonice weiterhin zu antisemitischen Tumulten und Ausschreitungen kommt, so z.B. zu Hermann Kafkas Zeit 1866
  • Die Militärzeit Hermanns verstärkt noch einmal seine „Robustheit“: die Uniform verleiht „Rang“, er zeigt Führungsqualitäten, befehligt einen Zug von 30 Mann. Die Uniform spielt in Franz Kafkas Werk mehrfach eine Rolle, so z.B. in der „Verwandlung“

 

Wosek/Osek – Gestern und heute

  • Wosek hatte zur Zeit von Hermann Kafkas Geburt ca. 380 Einwohner, worunter 20 jüdische Familien waren
  • Hermann Kafka wurde in der sog. „Judengasse“ geboren, genannt „Klein-Wosek“.
  • Der Ort war Teil des größeren „Gut Wosek“, Besitz des Großgrundbesitzers und in den Adelsstand erhobenen Herrn auf Schloß Wosek Edmund Ritter von Doubek
  • Hermann Kafkas Vater Jakob war der letzte auf dem Woseker jüdischen Friedhof bestattete Jude, wie gesagt nahm Franz  an der Beerdigung teil.
  • Osek heute: der heutige Namen seit 1924 endgültig, seit 1919 eine eigene Gemeinde, zuerst mit der Schreibung Vosek, dann Osek
  • Osek hat heute 654 Einwohner (Stand 1.1.2016) und ist eine Gemeinde mit 5 Ortsteilen

 

Das Projekt hat ein Ziel innerhalb meines Teilprojektes – und eines außerhalb bzw. über dieses hinausgehend:

  • Innerhalb: ich möchte diese Herkunftswelt von Hermann Kafka rekonstruieren, auch mit dem heutigen Ort vergleichen, vielleicht auch noch den einen oder anderen „Fund“ machen
  • Ich möchte zeigen, inwieweit dieses väterliche „Milieu“ sich in diversen Texten Franz Kafkas spiegelt, leitmotivische Bedeutung erlangt
  • Außerhalb bzw. über das Teilprojekt hinausgehend: eine Biographie über Hermann Kafka verfassen, unter dem Ansatz, Arbeitstitel „Ein anderer Prozess“ – der für Hermann Kafka geführt werden soll. Man weiß wenig bis nichts über den frühen Hermann Kafka, und hat sich auch für den Vater, der den Sohn um 7 Jahre überlebt hat, nicht gekümmert, außer dass man den gemeinsamen Grabstein auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Prag gerne photographiert. 

 

 

Robert Crump: Karikaturen zu Franz und Hermann Kafka

 

  

Hermann Kafka

 

 

Hermann Kafka

 

Hermann Kafka

 

   

Jacob Kafka

 

Registereintrag

 

Geburtshaus - Hermann Kafka

 

Alter jüdischer Friedhof

 

Alter jüdischer Friedhof

 

Ossek heute

 

  

Ossek - Friedhof heute

 

Kafka - Brief an den Vater - 1.Teil

 

Kafka - Brief an den Vater - 2.Teil

 

Schloss - Auszug - 1.Teil

 

Schloss - Auszug - 2.Teil